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Jakobsweg NRW 2022-2024

Auch in Deutschland gibt es natürlich Jakobswege! Schließlich führen diese durch alle Länder Europas, entstanden zu dem Zweck, die Pilger des Mittelalters von ihrer Heimat aus nach Santiago de Compostela wandern zu lassen. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf meine Wanderung auf dem Camino Francés habe ich ein wenig recherchiert und dabei festgestellt, dass einer der zahlreichen, deutschen Wege beinahe direkt vor meiner Haustür vorbeiführt. Er verlief von Essen über Düsseldorf und Neuss bis nach Aachen, alles in allem ca. 140 km. Da verlockte es mich, zumindest diese Etappen des Jakobswegs in Deutschland in Richtung Santiago auch zu laufen. Den allerersten Abschnitt habe ich, sozusagen als „Testwanderung“, noch vor meinem Camino Francés absolviert, die anderen Etappen dann als Tagestouren im Anschluss. Natürlich entsprechen solche Tagestouren nicht dem „klassischen“ Pilgern, ich fand es aber trotzdem schön, mich so dem Fernziel Santiago quasi Stück für Stück zu nähern. Pilgern in Etappen ist ja schließlich auch erlaubt, und jede einzelne Etappe ließ bei mir den Pilgergedanken stets wieder aufkommen.

Etappe 1 (21.08.2022): Essen-Stadtwald – Essen-Kettwig

Für die 1. Etappe bin ich, ausgestattet mit einem GPS-Track, im Essener Stadtwald gestartet und knappe 20 Kilometer bis nach Essen-Kettwig gelaufen. Die Wege kannte ich fast alle schon, aber irgendwie war es trotzdem ein seltsames und schönes Gefühl, hier eine Wanderung zu beginnen, die mich theoretisch tausende Kilometer weit bis nach Spanien führen könnte. Und deren letzte Etappen, das hatte ich ja damals schon geplant, ich nur wenige Wochen später unter meine Füße nehmen wollte. Etwas schade war, dass ich in den Kirchen am Wegrand keine Stempel vorfand, mit denen ich die 1. Etappe meiner Tour dokumentieren konnte. Das regelmäßige Stempeln der täglichen Etappen gehört ja schließlich auf dem Jakobsweg quasi dazu. Hier in den Kirchen war aber nichts dergleichen zur “Selbstbedienung” zu sehen, wie ich das später in Spanien erleben sollte. Vielleicht hätte man ins Pfarrhaus gehen müssen, das wollte ich dann aber doch nicht. Dennoch hat mir die Wanderung großen Spaß bereitet und die Vorfreude auf meine Pilgerreise stieg.

🥾: 19,0 km

Etappe 2 (07.01.2023): Essen-Kettwig – Düsseldorf-Derendorf

Nach meiner Rückkehr vom Camino Francés wollte ich meinen Jakobsweg in Deutschland fortsetzen. Die nächste Etappe von Kettwig bis nach Düsseldorf-Derendorf, beides gut an die S-Bahn angeschlossen, war mit 20 km eine Etappe, die man auch an einem kurzen Wintertag problemlos schaffen konnte, wenn die Sonne früh untergeht. Das Wetter spielte an diesem Tag im Januar mit, es war zwar kalt, regnete oder schneite aber nicht, das Laufen ging daher ziemlich problemlos. Die ersten Kilometer durch den Ratinger Wald bis nach Ratingen waren ganz schön, auch dahinter ging es noch idyllisch ein Stück durch den Aaper Wald bis nach Düsseldorf. Lediglich die letzten Kilometer Asphalttreten durch die Düsseldorfer Vororte waren nicht mehr ganz so spannend, auch wenn man ab und zu durch ein paar Nobelautos oder schicke Villen abgelenkt wurde. Ob der mittelalterliche Pilger hier wohl auch schon ins Staunen geriet? Vermutlich eher nicht … Mit der S-Bahn ging es schließlich wieder zurück nach Hause, eine weitere Etappe auf dem Fußweg nach Santiago war geschafft.

🥾: 20,5 km

Etappe 3 (15.04.2023): Düsseldorf-Derendorf – Neuss-Reuschenberg

Weiter ging es auf meinem Jakobsweg NRW erst im April, nachdem ich wegen des Urlaubs in Costa Rica und einer hartnäckigen Erkältung länger pausieren musste. Die Ausschilderung auf diesem Abschnitt des Jakobswegs war anfangs nicht besonders gut, in Düsseldorf stieß ich erst nach über 6 km auf die erste Wegmarkierung! Bis dahin bis ich wieder per GPS-Track navigiert. Ab der Neusser Innenstadt wurde das dann deutlich besser, hier war die Markierung auf den letzten Kilometern perfekt! Der Weg bot auch durchaus die eine oder andere Abwechslung. Öfters fühlte ich mich an meine Etappen auf dem Camino Francés in Spanien erinnert, die mich dort in die großen Städte wie León und Burgos hinein oder aus diesen hinaus führten. Auch in Düsseldorf oder Neuss ging es nämlich oft durch unansehnliche Vororte oder Industriegebiete, bis ich dann endlich in der schönen Düsseldorfer Altstadt, an der Rheinpromenade oder auch in der überraschend einladenden Innenstadt von Neuss ankam, letztere kannte ich überhaupt noch nicht. Und gegen Ende des Tages ging es dann doch noch hinaus in die Natur, die letzten Kilometer führten mich wunderschön durch den erwachenden Frühlingswald an der Erft entlang. Die 20 km-Marke habe ich so gerade geknackt, als ich im Neusser Stadtteil Reuschenberg wieder in den Bus stieg, um pünktlich zur Kaffeezeit wieder zuhause zu sein. Vom angesagten Regen blieb ich zum Glück verschont!

🥾: 20,2 km

Etappe 4 (30.04.2023): Neuss-Reuschenberg – Grevenbroich-Frimmersdorf

Nur 14 Tage später ging es schon weiter. Da an diesem Tag wieder fantastisches Frühlings-Wanderwetter angesagt war, zog es mich erneut nach draußen. Die Etappe, die nun anstand, brachte mich von Neuss bis zum Grevenbroicher Ortsteil Frimmersdorf. Anders als die letzte Etappe, die weitestgehend durch urbanes Terrain verlief, führte mich der heutige Weg meistens wieder durch die Natur. Das war umso schöner, als dass der Frühling in den letzten Tagen mit Macht hereinbrach. Überall blühte es, die Blätter sprossen, so sattgrünes, junges Laub wie derzeit sieht man das ganze restliche Jahr über nicht. Dazu kam noch, dass der Jakobsweg auf dieser Etappe über weite Teile direkt am Ufer der Erft entlang führte, da kam man sich fast ein wenig wie im Urlaub vor. Auch einige Ortschaften passierte ich, u.a. Grevenbroich, aber weder sah ich Horst Schlämmer, noch wurde irgendwo das Grevenbroicher Tageblatt verkauft – komisch! Dafür lief ich auf den letzten Kilometern noch lange parallel zum ehemaligen, jetzt stillgelegten Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf, einem gigantischen Komplex, der einen interessanten Kontrast zur Natur um mich herum bildete. Nach 25 km und etwas über 5 Stunden erreichte ich schließlich mein Ziel am Bahnhaltepunkt Frimmersdorf. Die Bahn, die mich zurück zum Auto bringen sollte, fuhr zwar nur 1x in der Stunde, aber ich konnte das gut timen, so dass ich gar nicht lange warten musste. Wieder hatte ich ein Stück des Jakobswegs von meiner Haustür in Richtung Santiago de Compostela zurückgelegt. Nur noch 2 Etappen, und schon würde ich in Aachen sein, fast an der belgischen Grenze!

🥾: 24,3 km

Etappe 5 (08.05.2023): Grevenbroich-Frimmersdorf – Jülich

Nur eine Woche später stand eine weitere Etappe des Jakobswegs in NRW auf dem Programm, es ging diesmal bis nach Jülich, einer Stadt, die mich positiv überraschte. Die ersten Kilometer der Wanderung bis Bedburg-Kaster führten wieder direkt an der Erft entlang und waren daher ähnlich schön wie größere Abschnitte auf der letzten Etappe. Der Ort Kaster präsentierte sich als wirklich schnuckelige kleine Altstadt mit Stadttoren und Stadtmauer. Das war ein Ort, wo ich gerne nochmal hinfahren möchte, um ihn mir mit mehr Muße anzusehen. Hinter Kaster dann verlor der Weg leider doch einiges an Reiz, denn die Wanderung verlief über weite Teile recht monoton über landwirtschaftliche Wege oder gar Asphaltstraßen durch die platte Landschaft der Jülicher Börde. Das erinnerte mich teilweise sogar ein bisschen an die Meseta, die endlose, kastilische Hochebene auf meinem Jakobsweg durch Spanien, aber irgendwie gefiel mir das heute nicht so gut. Vielleicht lag es aber auch daran, dass etwa auf der Hälfte der Strecke plötzlich finstere Wolken aufzogen und ein Unwetter mit sich brachten, das sich gewaschen hatte. In der offenen Landschaft war ich dem natürlich ziemlich ausgesetzt, kein Baum zum Unterstellen weit und breit, wie gut, dass ich wenigstens einen Schirm dabei hatte. Sehr schön für’s Auge war natürlich die Tatsache, dass der Raps jetzt gerade in voller Blüte stand, so ein Gelb liefert kaum eine andere Pflanze bei uns in diesen Mengen. Nach knapp 7 Stunden erreichte ich schließlich die Außenbezirke von Jülich und der Weg steuerte auf die Zitadelle zu. Ehrlich gesagt wusste ich von deren Existenz bisher gar nichts, umso überraschter war ich, ein so eindrucksvolles und gut erhaltenes Bauwerk hier vorzufinden. Im Inneren befindet sich jetzt neben dem Museum vor allem eine Schule – das nenne ich doch mal eine lobenswerte Umnutzung! Durch die lebendige Innenstadt und am Schwanenteich vorbei ging es zum kleinen Bahnhof, von wo aus mich die Bahn in etwas mehr als 2,5 Stunden wieder zurück nach Hause brachte.

🥾: 34,8 km

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