Mein großer Jahresurlaub 2022 sollte etwas ganz Besonderes werden. Allerdings habe ich das lange Zeit noch gar nicht gewusst! Eigentlich war es mein Wunsch, endlich mal wieder in die Ferne zu schweifen und etwas von der weiten Welt zu sehen, nachdem das in den letzten 2 Corona-Jahren ja nicht wirklich gut möglich war. Aber es kam dann doch ganz anders. Aus privaten Gründen stellte es sich nämlich im Laufe des Frühsommers 2022 heraus, dass ich meinen Plan noch um ein weiteres Jahr verschieben und stattdessen lieber innerhalb Europas bleiben will. Nun hatte ich allerdings schon einen vierwöchigen Urlaub im September bei meinem Arbeitgeber beantragt und genehmigt. Wo in Europa sollte ich da also hinfahren, bei welchem Ziel lohnte es sich, eine so lange Zeit dort zu verbringen? Zunächst war ich unsicher, allerdings kam schon sehr rasch bei mir der Gedanke auf, dass es doch mal wieder Zeit wäre für eine längere Wanderung, das bot sich förmlich an. Für Skandinavien war es fast schon ein wenig zu spät im Jahr, also kam eher eines der mittel- oder südeuropäischen Länder in Frage. Nun stand schon seit einigen Jahren ein Wanderführer des Jakobswegs bei mir im Bücherregal herum, den ich mir mal aus einer Laune heraus auf dem Grabbeltisch besorgt hatte. Ernsthaft in Erwägung gezogen hatte ich eine Wanderung dort nie, aber jetzt, mit vier Wochen Zeit? Also habe ich mal fix durchgerechnet, bei ca. 800 km (so lang ist die Strecke) wären das 28 km pro Tag. Wobei dann aber kein Ruhetag dabei wäre und ich auch nicht schlapp machen dürfte. Recht knapp also! Aber wie wäre es mit einer Woche länger? 800 km in 35 Tagen, das macht ca. 23 km pro Tag, das dürfte doch zu schaffen sein. Aber ob ich noch eine Woche länger Urlaub bekomme? Ich habe das dann einfach mal versucht, habe einen weiteren Urlaubsschein eingereicht – und siehe da, er wurde anstandslos genehmigt! Hurra! Ich sollte also dieses Jahr zum Pilger werden!
Nun bin ich zwar nicht katholisch, aber eine gewisse christliche Grundhaltung habe ich doch, stehe andererseits übertrieben Esoterischem eher skeptisch gegenüber. Insofern war ich gespannt, ob mir der Weg auch spirituell etwas bringt. Neugierig war ich aber natürlich auch auf die Landschaft und die zahlreichen, kulturellen Denkmäler, die das Land bot. Schließlich sollte mich mein Weg quer durch den gesamten Norden Spaniens führen, von der französischen Grenze in den Pyrenäen bis fast ans Meer.
Nachdem ich also meinen Plan Ende Juni gefasst hatte, kümmerte ich mich zunächst um meine An- und Abreise, buchte Hin- und Rückflug. Mit der irischen Billigfluglinie klappte das ganz gut, denn sie bot einerseits einen Flug nach Biarritz in Frankreich an, nahe am Startpunkt, andererseits auch Rückflüge von Santiago de Compostela nach Deutschland – perfekt! Weiterhin belas ich mich über alles, was man so wissen muss auf der Tour. Auf Facebook gibt es eine ganze Menge Foren, die eine ziemlich unerschöpfliche Quelle an Infos sind und nach deren Lektüre man um einiges schlauer ist. Danach besorgte ich mir noch einen neuen Rucksack, denn meine vorhandenen waren entweder zu klein oder zu groß und schwer.
Und schließlich machte ich mich noch an die Etappenplanung. Um nicht jeden Tag laufen zu müssen, sondern um auch mal einen Ruhetag einzulegen und ein wenig “auf Kultur machen” zu können, entschied ich mich dazu, in den drei großen Städten am Weg, in Pamplona, Burgos und León, jeweils einen Ruhetag einzulegen. Hier buchte ich mir dann auch schon Unterkünfte vorab, ebenso für die ersten 3 Etappen, alles weitere wollte ich aber auf mich zukommen lassen und sehen, wie es sich vor Ort entwickeln würde. Zu meiner großen Freude entschied sich dann auch noch mein Freund Thomas dazu, mich zumindest ein Stück des Wegs zu begleiten, auch wenn er nicht ganz so lange Urlaub bekommen konnte. Wir wählten uns dafür die letzte Woche des Jakobswegs aus, von Sarría bis Santiago. Grund dafür war einerseits die Landschaft, die ihn besonders lockte. Andererseits ist es aber auch so, dass eine durchgehende Wanderung auf diesen letzten 115 km des Jakobswegs einen ebenfalls dazu berechtigt, die begehrte Pilgerurkunde in Santiago in Empfang zu nehmen, und so sollte Thomas wenigstens auch eine bekommen. Je näher der Termin der Abreise rückte, umso aufgeregter und gespannter wurde ich, und am 03.09.2022 ging es endlich los!
¡Buen camino! – das ist der Pilgergruß, den ich in den nächsten Wochen noch hundertfach hören sollte.