Nach den schlammigen, letzten Touren durch Wald und Flur hatte ich heute nicht schon wieder Lust auf dreckige Schuhe. Daher sollte es heute eine “Stadtwanderung” sein, die mehr über Asphalt verläuft. Bei der Suche nach einem möglichen Ziel kam mir der Gedanke, doch mal wieder in der “homezone” meiner Kindheit vorbeizuschauen und so eine Art “Nostalgie-Wanderung” durchzuführen.
Ich fuhr also frühmorgens mit Bus und Bahn nach Duisburg-Homberg, stieg an der Haltestelle Hochheide Markt aus und klapperte einige Stationen ab, neugierig, was sich seit meiner Kindheit wohl so verändert hat. Schließlich bin ich ewig nicht dort gewesen. Der erste Eindruck, der sich mir in Hochheide bot, war leider ziemlich desillusionierend. War das früher ein “gutbürgerlicher” Stadtteil, so hat sich hier doch unverkennbar ein ziemlicher Niedergang eingestellt. Zunächst mal gab es eine doch recht große Anzahl an “Billiggeschäften” wie Kik, Kodi, Tedi und ähnliche, außerdem Nagelstudios, Dönerbuden usw. Grundsätzlich zweifle ich die Existenz solcher Läden ja gar nicht an, aber wenn sich das gesamte Einzelhandelsspektrum ausschließlich aus diesen Läden zusammensetzt, finde ich das schon traurig. Zu allem Unglück kamen dann leider auch noch viele Leerstände hinzu, so dass sich ein in meinen Augen doch recht trostloses Bild bot. Die ehemalige Eisdiele – leer. Ein ehemaliges Reisebüro – leer. Das ehemalige Haushaltswarengeschäft unter unserer Wohnung – leer, mit Brettern “verbarrikadiert”. Der ehemalige Fotoladen, in dem ich meine erste Kamera kaufte – ein Thai-Massagestudio. Ein ehemaliger Schätzlein-Supermarkt (wer kennt den noch?) – jetzt Kik und Tedi. Ich fand das alles wirklich deprimierend! Und selbst die Klingel unserer ehemaligen Wohnung zeigte keinen Namen mehr an, die Haustür sah vernachlässigt aus. Obwohl: die Fenster schienen neu zu sein, auch die Farbe der Hauswand – vielleicht war man gerade in Renovierungen begriffen. Ich hoffte das einfach mal… Und auch die Kirche, in der ich getauft und konfirmiert wurde, sah noch aus wie früher.
Den nächsten Schreck bekam ich allerdings, als ich meine alte Grundschule besuchen wollte. Die gab es nämlich gar nicht mehr, stattdessen stand da ein Ärztehaus mit Apotheke. Da ging ein Stück Kindheit verloren! Immerhin sah das Ärztehaus ganz manierlich aus. Wie ich über Google später herausfand, hat man die Schule schon 2011 dicht gemacht, nachdem die Schülerzahlen immer weiter heruntergingen, Ende 2016 wurde sie abgerissen. Das Kino, in das wir als Kinder früher gegangen sind, war ja schon lange zu, das wusste ich bereits. In den Schaufenstern, die früher für den Film (rechts) und die sonntägliche Jugendvorstellung (links) warben, hing jetzt Werbung der daneben liegenden Reinigung.
Der weitere Weg brachte mich zu den berühmten “Weißen Riesen”, ehemals 6 Hochhäusern mit je 20 Stockwerken. In den 70er Jahren, als sie gebaut wurden, waren sie der neueste Schrei, standen zuletzt aber zunehmend leer, waren nicht mehr bewohnbar und sollten nun nach und nach abgerissen werden. 2 Häuser gab es schon nicht mehr, die übrigen 4 sollen folgen, entstehen soll hier eine Parkanlage. Ich bin gespannt, wie das alles aussieht, wenn es fertig ist. Das wird aber sicher noch einige Jahre dauern. Ich hatte zwar nie eine nähere Beziehung zu diesen Hochhäusern, aber da sie das Stadtbild zur Zeit meiner Kindheit prägten, wurde mir auch hier beim Anblick der Abbruchtrümmer ein wenig wehmütig ums Herz. Interessant fand ich übrigens noch die daneben liegende ehemalige Zechensiedlung Johannenhof, wirklich hübsche Bauten des zurückliegenden Kohlezeitalters, die mir früher nie so wirklich aufgefallen sind. Aber als Jugendlicher hat man dafür wahrscheinlich auch kein gesteigertes Interesse.
Als nächtes ging es zum Franz-Haniel-Gymnasium, wo ich mein Abitur gemacht habe. Zumindest von außen hat sich hier kaum etwas getan, alles sah noch so aus wie früher inklusiv des belehrenden Spruchs über dem Eingangsportal – wenigstens hier also ein bisschen Beständigkeit! Wobei ich natürlich für die heutigen Schüler hoffe, dass sich die Ausstattung der Schule, vor allem im Hinblick auf EDV, gegenüber früher doch deutlich gebessert hat. Direkt hier in der Nähe liegt das ehemalige St. Johannis-Stift, das Krankenhaus, wo ich geboren wurde und später Zivildienst geleistet habe. “Natürlich” ist auch dieses heute allerdings nicht mehr in kirchlicher Trägerschaft, sondern gehört zum HELIOS-Konzern – noch ein Krankenhaus mehr, das der sich einverleibt hat. Kurz bevor ich schließlich auf den Rhein traf, ging ich noch am Ort des Schreckens meiner Jugend vorbei, dem Friesenplatz, an dem früher unser Schulsport stattfand, wenn Leichtathletik oder Ähnliches auf dem Programm stand. Daran will ich mich lieber nicht so gern erinnern, also weiter…
Am berühmten Schiffshebeturm erreichte ich schließlich den Rhein, Homberg lag damit hinter mir. Ab jetzt ging es zügiger weiter, denn ich hatte noch eine ordentliche Strecke Wegs zu Fuß vor mir. Über Duisburg-Ruhrort erreichte ich die Ruhr, wanderte hier am Ruhrdeich entlang bis Mülheim. Dort ging es vorbei an Schloss Styrum und dem MüGa-Park an der Stadthalle bis in die Innenstadt. Von hier aus schließlich wurde es einfacher, ich musste nicht mehr auf die Karte achten, denn über den Radschnellweg Ruhr und die Grugabahntrasse ging es immer schnurstracks geradeaus zurück nach Hause nach Essen. Diese letzten Kilometer ließen sich zwar recht flott zurücklegen, speziell das Stück entlang des Radschnellwegs war aber doch nicht allzu abwechslungsreich, so war ich am Ende froh, als ich nach etwas über 6 Stunden und 31 km endlich am Ziel war. Ich denke, in 10 Jahren sollte ich die Runde durch Homberg auf alle Fälle nochmal wiederholen, denn ich bin gespannt, was sich bis dahin verändert haben wird!
Danke für den gut geschriebenen Bericht und die tollen Fotos!
Da kommen viele Erinnerungen (inkl. Friesenplatz) wieder ans Tageslicht…
Freut mich! Ging mir genauso während der Runde. Ich hatte sogar überlegt, mal bei euch zuhause vorbeizugehen, habe es dann aber doch verworfen.
Ich fürchte, der Friesenplatz hat bei vielen FHGlern ein Trauma hinterlassen! 😉
Und was den Zustand von Hochheide angeht, fürchte ich, da kann ein Park anstelle der Hochhäuser auch nichts mehr ausrichten …
Wie das FHG inzwischen innen aussieht, könntest du dir ja problemlos bei einem der vom stolzen Direktor durchgeführten Rundgänge aus Anlass des Ehemaligentreffens ansehen 😘, das hoffentlich nach Anbruch der neuen Nach-Corona-Zeitrechnung wieder stattfinden wird. Besonders das naturwissenschaftliche Gebäude erkennt man tatsächlich nicht wieder (zumindest, sobald man die Gänge verlässt).
Im Übrigen bin ich echt beeindruckt. Spätestens in Oberhausen wäre ich in den Bus oder die Bahn gestiegen. Oder ich hatte gleich das Fahrrad genommen – vorzugsweise das Pedelec! 😂
Bzgl. Hochheide hast du vermutlich Recht, fürchte ich. Eine Parkanlage macht noch keinen gesunden und sanierten Stadtteil. Beim FHG war ich ja froh, dass sich nicht allzu viel von außen verändert hat. Wahrscheinlich bekomme ich einen Schock, wenn ich mal an einer der von dir vorgeschlagenen Führungen teilnehmen sollte… 😱 Am Mülheimer Hbf war ich dann auch schwer in Versuchung, die bequemere Variante per Bahn zu wählen, aber das Über-Ich hat dann doch über das Es gesiegt! 😆