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Khajuraho

Samstag, 23.11.2013: Khajuraho

Endlich mal wieder ein Tag zum Ausschlafen. Um 8:30 Uhr gab es Frühstück und um 9 Uhr fuhren wir (maximal 2 km) zu den nahegelegenen Tempeln von Khajuraho, zuerst zur sog. „westlichen Gruppe“. Uns zugeteilt war ein netter, älterer, deutsch sprechender Inder als örtlicher Führer, der auf amüsante, humorvolle Art und Weise auf viele Details der wichtigsten Tempel aufmerksam machte und Einiges zur Baugeschichte zu erzählen wusste. Dafür erhielt er dann von jedem von uns gegen Ende der Führung auch noch ein gutes Trinkgeld, das nicht durch die allgemeine Trinkgeldkasse der Reise abgedeckt war. In diese hatten alle Mitreisenden zu Beginn der Tour € 27 eingezahlt und Ankit verteilte daraus das immer wieder anfallende Trinkgeld etwa für Kofferträger u.Ä., so dass sich nicht jeder selbst darum kümmern musste, zumal man nicht immer das passende Kleingeld parat hatte, dafür war diese Gemeinschaftskasse ganz praktisch, außerdem wusste Ankit ja besser als wir über die hiesigen Gepflogenheiten und damit die angemessene Höhe der Trinkgelder Bescheid. Die Führung durch die Tempelanlage dauerte 2 Stunden, danach hatten wir noch 45 Minuten Zeit zur freien Verfügung, alleine hätte ich sicher noch viel mehr Zeit hier verbringen können. Wir besuchten den Varaha-Tempel (benannt nach seinem Erbauer) und den Kandariya-Mahadeva-Tempel im Rahmen unserer geführten Runde, den Rest schaute ich alleine an. Unser Führer versorgte uns mit jeder Menge Erklärungen zur Geschichte und zu dem, was man sah, alles konnte ich mir nicht merken, stichwortartig habe ich mir aber immerhin danach das meiste von dem notiert, woran ich mich noch erinnern konnte. Wir wurden also u.a. informiert über:

– den etwas neueren Parvati-Tempel in der Mitte der historischen Anlage, der das friedliche Zusammenleben der drei großen Religionen des Landes (Islam, Buddhismus, Hinduismus) anhand von deren typischen Dachformen darstellte

– den Doppel-Krokodil-Eingang des Lakshmana-Tempels

– den Matangeswara-Tempel außerhalb der eigentlichen Anlage, dem einzigen, jetzt noch aktiven Tempel

– den Varaha-Eber, die 3. von bisher 9 Inkarnationen Vishnus (die letzten beiden waren Rama und Krishna, auf die 10. Inkarnation warten die Hindus bis heute)

– die typische S-Form der Statuen im Gegensatz zur steifen Haltung der Figuren in den Jain-Tempeln der Ostgruppe, die wir später noch sehen sollten

– die Bedeutung der erotischen Darstellungen als „Lehrbuch“ für die einfache Bevölkerung und als Teil des Lebens bzw. der Dinge, die man alle erfüllen muss, um den Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen

– die feinen Gesichtsausdrücke der Figuren, den dargestellten Szenen entsprechend, etwa Freude/Liebe, Begierde/Sex, Zufriedenheit/“Nachspiel“

– die verschiedenen Stellungen beim Sex, die man hier sah, sowie weitere, dargestellte Szenen wie z.B. Henna-Bemalung der Füße, Betonung bestimmter Körperteile, etwa aufreizendes Vorstrecken von Gesäß oder Nabel

– witzige Details wie Elefanten, die Menschen beim Sex interessiert zuschauen, während andere diskret zur Seite blicken

– „durchsichtige“ Saris

– schöne Kuppeln wie beispielsweise bei der Eingangshalle des Lakshmana-Tempels mit buddhistischen Anklängen (Glockenmuster und heilige Männer)

– Streitszenen zu Pferd, Elefant oder zu Fuß, wobei die Szenen am Sockel eines Tempels in aller Regel nicht so kunstfertig gearbeitet waren wie die am Tempel selbst

– diverse Darstellungen von Einzel- oder Gruppensex mit verschiedenen Praktiken, etwa auf einer Art Schaukel, einem Bett, das in 2 Ebenen bewegt werden kann, einer bis heute nur teilweise erklärbaren Darstellung von Sodomie, Hochzeitsszenen, „Auffahrunfällen“ mit Elefanten und und und…

 Der höchste Tempel des Komplexes, der Kandariya-Mahadeva-Tempel, wies die kunstvollsten Szenen auf, was die Verarbeitung anbelangt, bot aber weniger erotische Darstellungen als der Lakshmana-Tempel, die wenigen, erotischen Darstellungen hier zeigten stets Herrscher, was an Insignien und der Vielzahl der Frauen erkennbar war. Hier wurde auch die fünfteilige Gliederung der Tempel besonders deutlich mit Vor-, Zwischen-, Haupt- und Übergangshalle sowie dem eigentlichen Kern, dem Zentralheiligtum, über dem sich der von außen erkennbar höchste Turm erstreckt. In der Seitansicht bilden alle Türme zusammen eine halbmondförmig ansteigende Linie. Typisch sind neben dem eigentlichen Haupttempel auch noch die 4 Ecktempel, die aber nur noch am Lakshmana-Tempel alle original erhalten waren. Insgesamt muss man aber festhalten, dass es erstaunlich ist, in welch gutem Zustand sich die über 1000 Jahre alten Sandsteinfiguren alle noch befanden, wirkliche Meisterwerke der Steinmetzkunst, die z.T. auch mit dem Namen der Künstler versehen waren! Das alles machte den Besuch der Anlage, unabhängig von den weltbekannten, erotischen Darstellungen, unbedingt sehenswert. In der freien Zeit nach der Führung schlenderten wir noch über den Rest der Anlage und warfen kurze Blicke in die übrigen Tempel, ehe wir dann mit dem Bus weiter zur östlichen Tempelgruppe fuhren und hier die umfriedeten Jaintempel besuchten. Zum einen war hier deutlich weniger los als an der Westgruppe, zum anderen gab es aber auch hier viele schöne Darstellungen, wobei die Tempel bloß ca. 100 Jahre jünger waren als die, die wir davor besichtigt hatten. Schließlich durften wir noch ins Innere des aktiven Jain-Tempels daneben und erfuhren Interessantes über die Entstehung und Lehre dieser sehr friedfertigen, aber auch recht „asketischen“ Religion. Gegen 13:15 Uhr zurück im Hotel kauften wir uns kurz noch ein paar Lebensmittel im Laden gegenüber für die lange Busfahrt am Folgetag, ehe wir um 14 Uhr im Hotel zu Mittag aßen. Den Nachmittag verbrachte ich lesend und Tagebuch schreibend z.T. am schönen Hotelpool auf unbequemen Liegen, bis mir in der einbrechenden Dämmerung die Mücken zu lästig wurden. Um 19 Uhr trafen wir uns erneut, um in die Stadt zu fahren und eine Aufführung traditioneller Tänze zu erleben. Das Ganze dauerte eine Stunde, war sehr touristisch aufgemacht mit Musik und Gesang vom Band in so einer Art Mini-Theater, aber zumindest ganz nett und bunt anzuschauen, nur gegen Ende wurde es etwas pathetisch mit einem Abschlusstanz, der ein einziges Loblied auf Indien zu sein schien mit Fahnenträgerin in der Mitte… Die Aufführung kostete dann auch gleich den „deftigen“ Touristen-Eintrittspreis von Rs 600, etwas über 7 Euro, für hiesige Verhältnisse nicht günstig. Danach ging’s weiter in den Ort zum Abendessen, heute wollten wir alle mal Abwechslung und aßen daher im angepriesenen Pizzalokal „Mediterraneo“ wirklich gute, wenn auch nicht gerade preiswerte Pizzen. Immerhin wurde aber auch damit geworben, dass der „chief trained in Rome“ war. Wenn das mal kein Qualitätsnachweis ist! Zurück im Hotel gerieten wir noch in eine indische Hochzeit draußen im Garten, sehr bunt, letztlich aber auch nicht viel anders als eine Hochzeitsfeier bei uns, vielleicht in etwas größerem Rahmen. Im Zimmer wurde noch kurz der Koffer gepackt für die Abreise am nächsten Tag, denn es sollte früh losgehen. Zu Bett ging ich dann um 22:30 Uhr.

Sonntag, 24.11.2013: Allahabad

Überraschenderweise konnte ich rasch einschlafen, denn entweder war die Hochzeitsfeier schon rasch beendet oder aber mein Zimmer lag so günstig, dass ich auf jeden Fall quasi nichts von allem hörte. Nach einer ruhigen Nacht ging der Wecker um 6 Uhr, um 7 Uhr fuhren wir in Khajuraho ab und es folgte der längste Fahrtag des ganzen Urlaubs mit ca. 310 km Fahrstrecke. Das klingt erstmal nicht so viel, aber bei den indischen Straßen- und Verkehrsverhältnissen dauert es halt doch länger als bei uns üblich. Wir kamen aber trotzdem recht gut durch und waren schon gegen 15 Uhr, also nach ca. 8 Stunden an unserem Ziel in Allahabad. Allgemein war nicht so viel Verkehr, wohl, weil Sonntag war, LKW gab es aber trotzdem zuhauf und die hielten einen natürlich ganz schön auf, da wir doch deutlich schneller hätten sein können als deren Maximaltempo von 50 km/h und sie oft, auch wegen der Straßenbeschaffenheit, nur schwer zu überholen waren. I.A. war die Straße von mäßiger bis schlechter Qualität wie überall, zwischendurch gab es aber ein Stück (ca. 50 – 100 km, keine Ahnung, es zog sich ewig), wo die Straßenverhältnisse wegen Bauarbeiten katastrophal waren und es die ganze Zeit nur holperte und staubte, bis in den Bus hinein, irgendwann hatten wir alle davon wirklich die Nase voll. Und was umso erstaunlicher war: überall lebten hier direkt an der Straße die Menschen, 100 Meter dahinter waren schon Felder, dort lebte kaum noch jemand, alles konzentrierte sich auf die lauten und dreckigen Straßen, für uns völlig unverständlich. Wie im Übrigen auch heute wieder der Müll, der fiel zwar überall schon negativ auf, alles wurde einfach an die Straße gekippt, aber je näher wir Allahabad kamen, umso schlimmer wurde es, soviel Dreck und Müll habe ich auf einem Haufen, abgesehen von Müllhalden, selten gesehen! Die Landschaft war eher langweilig, flach und offen, für die Toilettenpausen gab es (mal wieder) weder halbwegs vernünftige Raststätten noch Gebüsche, wo man das ein bisschen versteckt erledigen konnte, die Inder nutzten dafür auch hier wieder einfach ungeniert den Straßenrand, wirklich gewöhnungsbedürftig! Angekommen in Allahabad suchten wir zuerst den Sangan auf, den Zusammenfluss von Yamuna und Ganges (und des mythischen Flusses Saraswati), einen der heiligtsten, hinudistischen Orte, wo auch alle 12 Jahre das größte Fest der Welt stattfindet, die Mala Kumbh Mela, zuletzt in diesem Jahr vor unserer Visite mit bis zu 40 Millionen Besuchern! Abgesehen von den vielen Booten auf dem Fluss, die dorthin steuerten, wo sich die beiden Ströme trafen, ein paar heiligen Männern (und auch einigen, ähnlich aussehenden Personen, die nach Angaben von Ankit als „Scharlatane“ nur auf das Geld der Touristen aus waren), vielen Leuten, die sich Gangeswasser in Flaschen und Kanister abfüllten und wenigen, die im Fluss badeten, vermittelte der Ort eine nicht allzu spirituelle Atmosphäre, viele Verkaufsstände waren leer, es gab große Flächen brachliegenden Ufersandes und überall starrte es mal wieder vor Dreck – alles andere als „heilig“, aber das war natürlich mal wieder nur unsere westliche Sichtweise, das Materielle spielt hier vor Ort vermutlich, wie auch sonst in Indien, eine eher untergeordnete Rolle, und das Spirituelle stört sich nicht daran. Anschließend besuchten wir noch Anand Bhavan, den ehemaligen Wohnsitz der Familie Nehru, wo auch die indische Unabhängigkeit geplant wurde und Mahatma Gandhi oft zu Gast war. Das schöne, alte, koloniale Holzgebäude über 2 Etagen wirkte wirklich vornehm und es umwehte einen zumindest ein wenig auch der „Hauch der Geschichte“. Schließlich erreichten wir um 17 Uhr unser Hotel Ravisha Continental, optisch recht schick, leider gab es anfangs aber Probleme mit meinem schlüssellosen Zimmerzugang, der nach bestimmt 5 Versuchen der Neuprogrammierung immer noch nicht funktionierte, so dass ich eine neue Karte mit „Generalschlüssel“ bekam, mit der ich in mein Zimmer kam (und auch noch in alle anderen hätte gehen können, was für ungeahnte Möglichkeiten… ). Gegen 18 Uhr aßen wir im hoteleigenen Restaurant sehr lecker zu Abend, es gab für mich Garlic Naan, Chicken Lababdar und 2 Fresh Lemon Soda, danach spielten wir zusammen noch ein wenig Uno, zurück auf dem Zimmer las ich und machte schließlich gegen 22:45 Uhr das Licht aus.

Montag, 25.11.2013: Fahrt nach Varanasi

Heute war ein Tag mit viel Zeit, also war die Abfahrt des Busses erst für 9:30 Uhr angesetzt. Ich stand allerdings trotzdem früh gegen 6:30 Uhr auf, um noch einen Spaziergang zur nahegelegenen Kirche All Saints Cathedral zu machen, wo ein Geocache versteckt sein sollte, den ich aber leider trotz intensiven Suchens nicht fand… Das Frühstück war eher etwas reduzierter als sonst und der Service extrem unprofessionell, trotz des Anscheins, den das Hotel und die Zimmer sich gaben, aber der Masala-Tee war immerhin sehr lecker. Schließlich fuhren wir pünktlich los und waren nach 3 Stunden und ca. 130 km Strecke auch schon in Varanasi angekommen. Die Straße heute war für hiesige Verhältnisse sehr gut, das Vorankommen zügig, die Landschaft aber auch heute eher eintönig. Wenn ich Allahabad schon dreckig fand, so muss ich das Urteil nun revidieren, Varanasi übertrifft diesbezüglich fast alles, was wir bisher in Indien sahen, selbst unser Guide Ankit meinte, es sei die schmutzigste Stadt Indiens.

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