Tartu
Danach fuhren wir über Valmiera und die „geteilte“ Grenzstadt Valka/Valga weiter ohne Zwischenstopp bis Tartu. Gegen 15 Uhr kamen wir dort an, konnten schon im Hotel Villa Margaretha einchecken und begannen dann gleich unseren Stadtbummel. Dieser führte uns direkt zum Rathausplatz, wo wir in der Chocolaterie Pierre Kakao tranken und Kuchen aßen, recht lecker, allerdings auch ziemlich mächtig und süß. Danach gingen wir an den historischen Universitätsgebäuden vorbei bis zur Johanniskirche, einer sehr hohen und eindrucksvollen, nordischen Backsteinkirche, die insbesondere durch zahlreiche, hübsche, individuell gestaltete Terrakottafiguren beeindruckte, die innen und außen die Wände verzierten, auch wenn diese teilweise noch fehlten bzw. sich in Restauration befanden. Von dort aus führte uns der Weg auf den Domberg, hier besuchten wir die wiederum eindrucksvollen Ruinen der Domkirche aus Backstein, die Engelsbrücke und schließlich die alte Sternwarte. Leider hatten wir hier nur noch 30 Minuten Zeit bis zur Schließung, die nette kleine Ausstellung im Erdgeschoss mit astronomischen Instrumenten und Informationen über das Weltall sowie der Besuch der Kuppel selbst mit dem 100 Jahre alten Fernrohr waren aber interessant und anschaulich. Nachdem wir so die Sehenswürdigkeiten weitestgehend abgeklappert hatten, liefen wir noch ein wenig kreuz und quer durch die Stadt, suchten zunächst ein paar Geocaches, unter anderem auch im hübschen und kostenlosen Botanischen Garten, aßen dann in der Fußgängerzone einen leckeren Salat zu Abend und liefen schließlich wieder zu unserem Hotel, einem sehr schönen, historischen Holzhaus in einer auch entsprechenden Vorstadtsiedlung, aber immer noch gut in Reichweite in der Innenstadt. Ein entspannter und gemütlicher Tag ging zu Ende.
186 km
Samstag, 16.06.2018 – Peipus-See, Kloster Pühtitsa, Glintküste, Võsu
Weiter ging die Fahrt gen Norden. Leider haben wir beide in der vergangenen Nacht nicht so gut geschlafen, da wir die Fenster zur Straße hin aus Furcht vor Lärm nicht geöffnet hatten. Es gab nur zwei Fenster mit einfacher Verglasung, die man nicht kippen konnte, so haben wir sehr geschwitzt, zumal die Morgensonne schon ab mindestens 5 Uhr ins Zimmer knallte. Das Frühstück war dann wieder recht lecker, ich konnte mich für den Tag stärken, Thomas nicht so, da ihm leider ein wenig kodderig war. Gegen 10 Uhr checkten wir aus, verließen Tartu und kauften dabei noch einmal kurz ein paar Flaschen Wasser ein. Über eine sehr gut mit durchgängig 90 km/h befahrbare Landstraße ging es bis Kauksi am Peipussee, wo wir an dem dortigen, wunderschönen Sandstrand eine Strand-Wanderung unternahmen. Leider war es recht voll, mutmaßlich deshalb, da Samstag war und viele Wochenendurlauber hier die freien Tage verbrachten. Dennoch verlief sich die Anzahl der Menschen rasch und an manchen Strandabschnitten war ich ganz allein. Geplant war, dass ich am Strand bzw. durchs Wasser zum Ende einer Landzunge gehe, Thomas im Hinterland den befestigen Wegen folgt und wir uns dann an der Landzunge treffen. Leider gelang das aber nicht, da der Uferweg Immer mehr mit Schilf zu gewuchert war und ich irgendwann wieder umkehren musste. Offensichtlich war die Landzunge, die Thomas erreicht hat, aber auch nicht so überwältigend. Der Strand, die dahinter liegenden Dünen und auch der dortige, einfache Campingplatz waren allerdings wirklich wunderschön. Selbst Mücken gab es hier kaum, nur ganz vereinzelt an feuchten Niederungen im Wald.
Zwei Stunden hielten wir uns hier auf, fuhren dann weiter, das nächste Ziel war das Kloster Pühtitsa. Hierbei handelt es sich um ein russisch-orthodoxes Nonnenkloster, als Anlage schon einige hundert Jahre alt, wobei die Basilika selbst erst etwas über 100 Jahre alt ist. Das gesamte Areal wirkte sehr schön, ordentlich und gut gepflegt, wir trafen hier auf überraschend viele Touristen, vor allem aber natürlich russischer Provenienz. Trotz der Menschenmengen verhielten sich alle entsprechend angemessen. An einem kleinen Küchenfenster verkauften die Nonnen selbstgemachten Honig und Kwas, den Obolus dafür zahlten wir auch gerne, zumal im Kloster kein Eintritt erhoben wurde. Etwas verwundert hatte mich, dass mir das Fotografieren in der Kirche von einer Mitarbeiterin verboten wurde, andererseits dort allerdings kein Schild aufgehängt war, das das untersagte und ich beispielsweise in der orthodoxen Kirche in Vilnius wie alle anderen Touristen auch problemlos Fotos machen durfte. Offensichtlich gibt es hier unterschiedliche Regelungen.
Schließlich fuhren wir weiter Richtung Norden, dort ein kurzes Stück die Glintküste entlang an der Ostsee, die hier mit etwas über 50 m ihre höchste Erhebung in Estland fand, am zwei Stellen parkten wir und konnten dort mittelmäßig eindrucksvolle Tiefblicke erleben. Der höchste Wasserfall des Landes, der sich hier in die Ostsee ergießt, war, den Angaben des Reiseführers entsprechend, wirklich nur ein kleines Rinnsal. Noch etwas mehr als eine weitere Stunde Fahrt lag vor uns, dann erreichen wir gegen 18:30 Uhr den Ort Käsmu im Lahemaa-Nationalpark, wo wir unsere Unterkunft hatten.
Diese konnten wir beziehen, machten uns dann noch einmal wieder auf, ein kurzes Stück zurück in den Ort Võsu, wo wir etwas zu essen suchten, da in Käsmu kein Restaurant geöffnet war. Wir aßen in einem Burger- und Steaklokal Schwein und Lachs, beides mit Salatbeilage und Brot, vom Preis her noch ganz okay. Danach drehten wir noch eine kurze Runde durch den Ort Võsu, in dem sich eine ganze Anzahl schöner, alter Holzhäuser fand, diese waren netterweise auch meist sehr gut restauriert, teilweise allerdings auch noch arg renovierungsbedürftig. Mittlerweile hatte es ein wenig zu nieseln angefangen, so setzten wir uns wieder ins Auto und fuhren zurück in unsere Pension, wo wir den Abend gemütlich ausklingen ließen. Thomas ging wegen seiner immer noch vorhanden Magen-Darm-Probleme, jetzt leider auch noch mit Schüttelfrost, rasch ins Bett, ich las noch etwas und schrieb Tagebuch. Leider war die Nacht nicht ganz so ruhig, da eine Nichte der Wirtin 45 wurde und direkt im Hinterhof eine entsprechend laute Party stattfand. Mal sehen, wie lange das dauern würde …
260 km
Sonntag, 17.06.2018 – Wanderung im Lahemaa NP, Palmse, Käsmu
Der Tag begann mit einer schlechten Nachricht: Thomas hatte nämlich die ganze Nacht über Durchfall, fühlte sich nicht gut, war daher auch nicht dazu in der Lage, die vorgesehene Wanderung um die Halbinsel Käsmu mitzulaufen, so dass ich heute alleine unterwegs war. Zunächst frühstückten wir aber noch in unserer Pension, abgemacht war am Vortag 9 Uhr als Termin, in Anbetracht der großen Familienfeier am Abend zuvor hatte die Wirtin das aber wohl offensichtlich vergessen, entschuldigte sich tausendmal, unser Frühstück bekamen wir dann etwa um 9:30 Uhr. Überraschenderweise habe ich trotz des Lärms durch die Party recht gut geschlafen, bin bald eingeschlafen und habe danach nichts mehr gehört. Um 10:30 Uhr brach ich dann auf, vor mir lagen circa 17 km, von denen etwa zwei Drittel am Strand beziehungsweise im Wald, aber immer mit Blick aufs Meer verliefen, das letzte Drittel führte dann durch den Wald zurück, war nicht mehr so abwechslungsreich und daher habe ich es schnell hinter mich gebracht. Auf den Strecken entlang der Küste bin ich allerdings immer wieder stehen geblieben, habe die Aussicht genossen, die zahlreichen Findlinge bestaunt und fotografiert, außerdem noch ein paar Geocaches gesucht und fast alle gefunden. Immer wieder traf ich auch auf Menschen, nicht allzu viele, aber doch ein paar, diejenigen, die wanderten, waren fast alle Deutsche, diejenigen, die sich am Strand tummelten, waren Esten… Allzu viele Tiere gab es nicht zu sehen, nur ein paar Vögel, aber auch davon nicht viele.
Gegen 16 Uhr war ich zurück in der Pension, duschte kurz, um dann mit Thomas, dem es leidlich besser ging, zum Gutshof Palmse zu fahren, den wir noch etwa eine Stunde lang besichtigen konnten, bevor er schloss. Das Herrenhaus hatte man mit Möbeln aus der Zeit sehr schön hergerichtet, wenn es auch nicht die Originalmöbel waren, so bekam man doch einen guten Eindruck davon, wie die baltischen Adligen damals hier lebten. Auch die Orangerie mit Gewächshaus war recht hübsch hergerichtet. Wir spazierten dann noch ein wenig durch den Park und aßen anschließend im rechts neben dem Gutshof liegenden Gasthaus Palmse Körts ganz lecker und günstig zu Abend. Es gab typische, estnische Spezialitäten, zum Hauptgang Mulgipuder (Kartoffelbrei mit Schinken), zum Nachtisch eine Mousse aus Kama, einer Mischung aus verschiedenem, nur grob geschrotetem Getreide. Nach dem Essen stand auch hier noch ein Geocache auf dem Programm, ehe wir mit dem Auto wieder nach Käsmu zurück fuhren. Bei schöner Abendsonne drehte ich noch eine Runde durch den Ort, die Hauptstraße hinab, am Strand wieder zurück, sortierte Fotos aus, schrieb Tagebuch und imprägnierte meine Sachen für die Wanderung am nächsten Tag noch einmal mit Mückenschutz. Um kurz nach elf ging das Licht aus.
34 km
Montag, 18.06.2018 – Altja, Sagadi
Wir standen diesmal etwas früher auf, Thomas hatte mit der Wirtin das Frühstück zwischen 8 Uhr und 8:30 Uhr vereinbart, offensichtlich hatte sie aber wieder noch nicht mit uns gerechnet, um 8:15 Uhr war noch nichts vorbereitet, um 08:40 Uhr in etwa bekamen wir dann unser Frühstück aber doch. Statt Porridge gab es heute Pfannkuchen mit Apfelmus, die wirklich ausgesprochen lecker waren. Wir zahlten unsere Unterkunft für die letzten zwei Nächte und machten uns dann auf den Weg. Schon am Vorabend, aber auch am jetzigen Montag war es in Käsmu deutlich ruhiger als am Tag zuvor, viele Wochenend-Touristen waren abgereist, kaum noch Gäste waren da. Wir fuhren zunächst nur eine kurze Strecke bis zum Ort Altja, unternahmen dort eine 3 km lange Wanderrunde, die zunächst durch Wald, an einem Findling vorbei und dann am Strand zurück in den hübschen, kleinen ehemaligen Fischerort führte. Nichts Sensationelles, aber wirklich schön anzuschauen, der nahezu gänzlich menschenleere Strand wirkte ganz anders als noch am Sonntag zuvor, als die Menschen zwar nicht dicht gedrängt, aber doch hier und da immer wieder verteilt lagen.
Mit dem Auto fuhren wir dann weiter nach Sagadi, um uns ein weiteres Herrenhaus anzuschauen. Hier konnte man die Außenanlagen kostenlos besichtigen, das Innere besuchten wir nicht. Das Haus wirkte insgesamt etwas kleiner, fast „bescheidener“, wenn auch immer noch herrschaftlich mit Dreiflügelanlage, Gartenteich und zuführender Allee, verfügte aber nur über ein Stockwerk im Erdgeschoss mit darüber liegenden Dachstuben.
Übernachtung in der Bärenhütte
Danach führte uns die Fahrt weiter nach Rakvere, wo wir in einem Einkaufszentrum Lebensmittel für die bevorstehende Nacht besorgten und uns noch einmal mit warmem Essen kräftigten. Um auch die hiesige Burgerkette, die es hier überall im Baltikum gab, zu probieren, kehrten wir bei Hesburger ein, offensichtlich einer nahezu Monopolkette, McDonald’s und Co sind in den baltischen Staaten kaum vertreten. Preislich und geschmacklich waren die Burger durchaus okay, die Portion Pommes allerdings eher klein geraten, der Burger dafür etwas größer. Dann setzen wir uns wieder ins Auto und fuhren eine halbe Stunde bis zu unserem vereinbarten Treffpunkt südlich von Rakvere, von wo aus wir noch einen kurzen Fußweg zur Bärenhütte zurücklegen sollten.
Exakt zum vereinbarten Termin um 17 Uhr trafen wir ein, wurden dann allerdings noch ein kurzes Stück des Weges mit dem Allradwagen von Andres, dem Organisator, mitgenommen, liefen danach nur noch etwa 300 Meter weiter in den Wald hinein und standen schon vor der Bärenhütte. Wir hatten großes Glück, denn zu zweit hatten wir eine Hütte mit theoretisch bis zu 9 Schlafplätzen ganz für uns allein, auch in der Nachbarhütte war nur ein Gast untergebracht, von dem wir aber nichts mitbekamen. So konnten wir uns gemütlich einrichten, hatten die Toilette für uns (was für Thomas‘ inzwischen langsam abklingende Magen- und Darmprobleme ganz gut war) und freie Sicht nach vorne zum Bach und nach hinten zum Wald. Zur Toilette sei übrigens noch erwähnt, dass es sich hierbei um eine sehr interessante Konstruktion handelte mit zwei „Löchern“, ein „trockenes“ System im hinteren Teil für das „große Geschäft“ und ein „feuchtes“ System im vorderen Abschnitt, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Der Toilettentopf wirkte sehr mächtig, das Prinzip scheint aber gut zu funktionieren, ein langer Abzug führte nach oben über das Haus, das Ganze war tatsächlich komplett geruchsneutral. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, setzten wir uns jeder an ein Fenster, tauschten den Abend über manchmal die Seiten und warteten gespannt auf die Dinge, die da kommen.
Schon bei unserer Ankunft verschwand hurtig ein Marderhund im Gebüsch, bis zu drei Marderhunde gleichzeitig sahen wir den ganzen Abend über immer wieder. Außerdem zeigten sich immer wieder mehrere Raben, einige Eichelhäher und ein paar kleinere Vögel, einmal kurz ein Eichhörnchen. Ja, und dann haben wir tatsächlich Bären gesehen! Um exakt 19:52 Uhr tauchten zwei mutmaßliche jüngere Geschwister auf, die sich etwa 10 Minuten auf der Bildfläche tummelten. Interessiert waren die beiden natürlich vor allem an dem Futter, das, wie man zugeben muss, ausgelegt wurde, um die Tiere anzulocken, nicht nur die Bären, sondern auch Marderhunde und Vögel taten sich daran gütlich. Andererseits muss man aber auch sagen, dass es sich immer noch um wilde Tiere handelt, ohne das Anlocken mittels Futter würden die Chancen, die Tiere zu sehen, sicherlich deutlich sinken. Die natürlichen Verhaltensweisen und die entsprechende Scheu sind auch weiterhin vorhanden. Im Laufe des Abends sahen wir die beiden Bären noch mehrmals, einmal auch auf der Bachseite, hier stellte sich ein Bär sogar kurz auf die Hinterbeine, um Witterung aufzunehmen, rannte dann aber erschrocken davon. Später tauchten die Bären noch zweimal hinter dem Haus auf, es wurde dann aber zunehmend dunkler, die Konturen verschwammen, letztlich gingen wir dann um 23 Uhr ins Bett. Wir hatten unsere Schlafsäcke mitgebracht, wobei jede Liege auch mit einem doch recht gut erscheinenden Schlafsack des Veranstalters ausgestattet war. Dennoch schläft man natürlich lieber im eigenen Schlafsack…
85 km
Dienstag, 19.06.2018
In der Hoffnung, auch in der Morgendämmerung noch ein paar Tiere zu sehen, habe ich den Wecker auf 4:30 Uhr gestellt, wir standen dann auch rasch auf, leider war die Hoffnung vergebens, nur ein oder zwei Mal sahen wir noch einen Marderhund, ansonsten dieselben Vögel wie am Vorabend, keine weiteren Tiere, auch keine Hirsche oder Elche, auf die ich vielleicht noch gehofft hätte. Wir packten unsere Siebensachen daraufhin letztlich ab 7:30 Uhr wieder ein, verschlossen auch von außen die sehr praktischen Fotoklappen, verriegelten die Tür und liefen die ca. 4 km zurück zum Auto am Parkplatz auf einem Waldweg. Unterwegs waren besonders kleine Fliegen lästig, die einen immer umschwirrten, sobald man stehen blieb, fraglich auch stachen, ansonsten hatten wir in der Hütte aber keinerlei Probleme mit stechenden Insekten, wenige Mücken konnten beseitigt werden, in der Nacht ist nichts Schlimmes passiert, zumal wir auch Türen und Fenster nicht öffnen konnten bzw. geöffnet hatten.