earthgui.de

Galizien 1

Samstag, 01.10.2022: La Laguna – Triacastela

Tatsächlich war auch diese Nacht wieder überraschend ruhig, die Amerikanerin hat ihre Selbstgespräche dann doch irgendwann eingestellt, auch ich bin schnell eingeschlafen, Als der erste Wecker ging, war es überraschenderweise schon 6:45 Uhr – offensichtlich war auch wieder kein früher Herbergsflüchtling auf dem Zimmer! Gegen 7:30 Uhr ging ich runter, ab diesem Zeitpunkt sollte es unten Frühstück geben. Das Frühstück in der Bar war nicht so üppig, ich aß eine Tostada mit O-Saft und Kaffee, durchaus ganz lecker, aber halt nicht so wirklich nahrhaft. Trotzdem war ich erstmal gesättigt und konnte dann gegen 8:00 Uhr starten. Der Weg hinauf bis O Cebrero war nicht mehr lang, aber wunderschön, denn die Sonne ging gerade hinter den fernen Bergketten auf. Es gab ein tolles Licht, vor allem auch deshalb, da in den Tälern teilweise noch der Nebel lag. Die Wiesen und Wälder waren goldgelb angestrahlt, einfach wunderschön! In O Cebreiro war schon ein wenig Trubel, die Tourigeschäfte bauten gerade ihre Stände auf, einige Touristen liefen dort auch schon herum, der Andrang hielt sich aber noch in Grenzen, zumal offensichtlich nur Pilger hier waren und noch keine größeren Busgruppen. Ich habe aber gehört, dass das nachmittags hier ganz anders, viel rummeliger sein soll! Tatsächlich war der Ort aber auch wirklich extrem hübsch, nicht nur die für Galizien typischen, runden Steinhäuser (Pallozas), sondern auch die „normalen“ eckigen, ein ganz tolles Ensemble in einer exponierten und wunderschönen Lage mit herrlichen Fernblicken. Leider hatten sowohl die Kirche, als auch das Museum noch zu, letzteres nur deshalb, da seit dem 16.09. bereits Nachsaison war, vor diesem Termin hätte ich tatsächlich das Museum schon besuchen können – schade! Ich machte mich dann auf auf den weiteren Weg, und direkt am Ortsende konnte ich wieder zwischen zwei Alternativen wählen, dem Hauptweg entlang der Straße oder einer Alternative durch den Wald. Ich entschied mich für letzteres, was sich wieder lohnte, denn bis auf drei Leute war ich auch hier wieder komplett allein. Gerade der erste Teil des Wegs war wunderschön. Leider ging es noch mal ein Stückchen bergauf und später wieder bergab, das fand ich nicht so toll wegen meines Schienbeines, das zum Glück bisher aber noch keinerlei Mucks von sich gab. Nach etwa 3 Kilometern traf ich wieder auf die Hauptroute, nachdem ich zuvor noch zwei nette Esel gestreichelt hatte. Auch heute verlief ein Großteil des Weges wieder parallel zur Landstraße, wobei das aber nicht so schlimm war aus mehreren Gründen. Der Fußweg war nämlich meistens sehr breit und fein geschottert, ließ sich also perfekt gehen. Darüber hinaus war er oft auch ein ganzes Stück von der Straße entfernt, manchmal lag ein Wall dazwischen, sodass man die Straße gar nicht sah, manchmal entfernte sich der Weg auch mehrere 100 m von der Straße, und außerdem war die Straße kaum befahren. Insgesamt war es also kein Problem, hier entlang zu laufen. Eine weitere Alternative gab es auch noch einmal einige Zeit später, hinter dem Alto do Poio. Da aber der Hauptweg so gut war und diese Alternative wieder noch mehr Höhenmeter bedeutet hätte, wählte ich jetzt dann doch mal die Hauptroute. Ich kam unterwegs durch mehrere kleine Ortschaften, überall gab es Bars, Verpflegung war also kein Problem. Ich kehrte zum ersten Mal am Alto do Poio ein, dem höchsten Pass der hiesigen Gegend. Dort gab es frische Empanada mit Thunfisch, die wirklich sehr lecker war. Dazu eine (leider noch nicht ganz reife) Banane und eine erfrischende Kas Limon. Eine zweite Pause machte ich in Filippal, wo ich mir eine Cola und ein Stück Apfelkuchen gönnte. Neben der schönen Wegführung gehörten die Aussichten heute mit zu den besten, die ich auf der bisherigen Tour hatte. Die Landschaft war einfach nur wunderschön, für mich eine der schönsten Etappen des gesamten Jakobswegs. Und selbst der Abstieg war nicht so schlimm wie befürchtet, am Ziel in Triacastela angekommen merkte ich an meinen Beinen fast gar nichts, ganz im Unterschied zum Abstieg vom Cruz de Ferro, wo sich aber an das Ende des Abstiegs ja auch noch sieben Kilometer asphaltierte Landstraße anschlossen, die wirklich nervten. Ich traf gegen 15:30 Uhr in der Pension Casa Simon ein, wo ich ein Zimmer vorgebucht hatte. Ich wurde freundlich empfangen, das Zimmer war ausreichend geräumig, ordentlich und sauber, alles okay. Ich duschte, wusch meine Wäsche, es gab hier sogar einen Wäschetrockenständer, und entspannte dann ein wenig auf dem Bett. Zwischendurch telefonierte ich mit Thomas, der mittlerweile bei strömendem Regen einigermaßen gut an seinem Abflughafen in Frankfurt / Hahn angekommen war. Gegen 19:00 Uhr startete ich einen kleinen Stadtrundgang. Die Kirche war leider schon geschlossen, auch sonst gab es nichts wirklich Sehenswertes hier, der Ort bestand vor allem aus diversen Unterkünften für Pilger. Zum Essen kehrte ich ein im Restaurant Esther, da das nicht so übervoll schien, eine Terrasse in der Sonne hatte und auch gute Bewertungen bei Google. Das Pilgermenü war zwar mit 12 € recht günstig, das Essen aber nicht wirklich so der Hit. Zur Vorspeise gab es Nudelsalat, zum Hauptgericht Würstchen „kreolische Art“ (zwei kleine dicke leckere gut gewürzte Würstchen mit Pommes und einer gebratenen Paprika), zum Nachtisch hatte ich eine Santiago-Torte, die aber ein wenig trocken war. Dafür war der Wein rustikal und ganz süffig. Die Krönung war aber die Bedienung, so eine muffellige und unfreundliche Bedienung habe ich in meinem ganzen Urlaub in Spanien bisher noch nicht erlebt! Gab dann halt kein Trinkgeld… Später ging ich wieder aufs Zimmer und habe dort noch viel im Internet gesurft, weil ich noch wach bleiben sichergehen wollte, dass Thomas um 23:00 Uhr gut ins Santiago gelandet war. Er meldete sich dann auch um 23:39 Uhr aus seiner Unterkunft, alles hat prima geklappt, so konnte ich beruhigt einschlafen in meinem molligen Bett mit endlich mal wieder einer richtigen, bezogenen Bettdecke! Das war vermutlich der Tatsache zu verdanken war, dass der Inhaber meiner Unterkunft ein Belgier war.

🥾: 24,2 km

Sonntag, 02.10.2022: Triacastela – Sarria

Die Nacht war sehr angenehm, auch wenn es morgens ab 6:00 Uhr trotz meines Einzelzimmers wieder etwas unruhiger wurde. Das lag aber an dem Altbau mit doch recht dünnen Wänden und knarrenden Dielen, da hörte man jede Bewegung im Nebenzimmer, hinzu kam noch der Ventilator im Bad meiner Nachbarn. Gegen 8:00 Uhr verließ ich das Haus. Zum Essen ging ich, wie empfohlen, nebenan in die Bar des Complexo Xakobeo. Ich hatte ein einfaches Frühstück mit Tostada, Kaffee und Orangensaft, das war aber recht lecker. Etwas unruhig war die Atmosphäre, man hatte den Eindruck, dass gefühlt die gesamte Pilgerschaft des Ortes hier zum Frühstück einkehrte, dementsprechend voll und rummelig war es. Erstaunlich, wie die Bedienungen trotzdem die Freundlichkeit und die Ruhe behielten. Eine halbe Stunde später marschierte ich los. Es war noch überraschend kalt, ich fand es sogar noch kühler als am Vortag, als ich mehrere hundert Höhenmeter höher geschlafen hatte. Da meine Beine keine Schwierigkeiten bereiteten und ich gerne das Kloster Samos besichtigen wollte, entschied ich mich für den etwas längeren Weg. Zunächst führte dieser, wie so oft üblich, an der Landstraße entlang, die morgens aber noch nicht so sehr befahren war. Teilweise hatte man den Weg richtig schön mit Brettern in Form eines Boardwalks angelegt. Nach 3 km, im Ort San Cristovo do Real, verließ der Jakobsweg dann aber die Straße und führte ab jetzt wunderschön, wenn auch mit viel Auf und Ab durch verlassene, kleine alte Ortschaften und durch herrliche Wälder bis zum Kloster Samos. Dieser Weg gehörte mit zu den bisher schönsten auf dem Jakobsweg, zumal er eben endlich auch mal auf richtigen Wanderwegen durch den Wald verlief und nicht nur parallel zu Straßen. Mit der Zeit kam die Sonne heraus, es wurde langsam wärmer, so dass ich Schicht um Schicht ausziehen konnte. Die Sonne erwärmte auch die Feuchtigkeit im Tal, so dass sich überall Nebelschwaden bildeten, was teilweise sehr romantisch und stimmungsvoll aussah. Toll war auch der erste Ausblick, den man auf das überraschend gewaltige Kloster Samos von oberhalb hatte. Gerne hätte ich die im Barock neu gestaltete Anlage angesehen, leider hätte ich für die erste Führung aber noch anderthalb Stunden warten müssen, was mir dann doch zu lang war, da Thomas ja in Sarria auf mich wartete. Also kaufte ich mir im Ort in einem Supermarkt nur eine Kas Limon und ein Eis und wanderte weiter. Erneut folgte ein Stück Weg parallel zur Landstraße, die ich dann aber anhand meines gpx-Tracks verließ, denn ich wollte nicht die gesamte Strecke bis Sarria so weitergehen, sondern vielmehr den Weg über Nebenstraßen bzw. durch das Hinterland nehmen. Offensichtlich bin ich, meinem gpx-Track folgend, etwas zu früh abgezweigt, denn ab hier gab es auf mehreren Kilometern nur einen einzigen gelben Pfeil, später stieß ich dann auf wieder regelmäßige und häufigere Markierungen. Ich hätte vermutlich wohl noch ein Stück weiter der Landstraße folgen müssen bis zu einem „offiziellen“ Abzweig, aber egal, ich hatte ja meine Karte und bin auch so wieder auf den Weg gestoßen. Weiterhin waren die Wege sehr schön, führten durch den Wald und über die Höhen, wobei zum Schluss dann aber doch das Asphalttreten wieder zunahm. was es dann wieder etwas monoton machte. Der Landschaft tat das aber keinen Abbruch. Auffällig war heute, dass es auf dem ganzen Stück so gut wie keine Einkehrmöglichkeiten gab. Da ich trotzdem irgendwann Hunger bekam, legte ich einfach am Straßenrand eine Pause ein und verzehrte meine Limo zusammen mit ein paar Nüssen, die ich noch im Rucksack hatte. Die letzten Kilometer bis Sarria zogen sich ziemlich, gegen kurz vor 15:00 Uhr erreichte ich dann aber endlich die Stadt und auch das direkt am Stadtrand gelegene, erste Hotel der letzten fünf Etappen, die wir ja über eine Agentur gebucht hatten – ab jetzt waren ausschließlich noch „Luxusübernachtungen“ in Hotels geplant, die Zeit der Albergues war vorbei… 😉 Thomas hatte schon eine Weile zuvor eingecheckt, wir trafen uns in der Bar und tranken jeder ein Radler, bis es dann aufs Zimmer ging, wo ich wieder meinen üblichen Pilgerverrichtungen wie Duschen und Wäschewaschen nachkommen konnte. Danach machten wir uns auf zu einer kleinen Stadtbesichtigung. Auch hier gab die Stadt nicht wirklich viel her. Die Vororte bestanden vor allem aus Hochhäusern, die Altstadt war eher klein, unspektakulär und bot auch nicht allzu viele Highlights. Wir schauten uns die romanische Kirche San Salvador an, schlicht und einfach, von außen auch die größere Kirche Santa Mariña, die allerdings aus unerklärlichen Gründen geschlossen hatte. Vom Kastell sah man kaum etwas, hier war alles drumherum mit einem Bauzaun abgesperrt, das Ganze wirkte ziemlich verfallen. Die Landschaft, auf die man in der Ferne blickte, war schön hügelig, wobei die Fernblicke aber meist durch die Hochhäuser der Vororte verstellt waren. Gegenüber vom Rathaus aßen wir in einem Touristenlokal zur Abend. Das war durchaus ganz okay, ich hatte eine Vorspeisenplatte, bestehend aus diversen Scheiben Wurst und Käse, als Hauptgang Merluza mit Pommes, als Nachtisch ein Eis. Mit Rotwein für 11 € kann man da nicht meckern. Anschließend gönnten wir uns noch eine Sangria, die wir gemeinsam mit einigen meiner Bekanntschaften vom Jakobsweg genossen, die wir hier zufällig wiedertrafen. Auf den Straßen der Stadt war auf unserem Rückweg ins Hotel immer noch eine Menge los, viele Einheimische waren noch unterwegs, und das, obwohl das Wochenende am heutigen Sonntagabend ja eigentlich schon wieder vorbei war. Irgendwie ist das in Spanien anders als in Deutschland, das Leben spielt sich selbst hier im eher kühleren Galizien mehr abends und draußen ab als bei uns zuhause.

🥾: 25,3 km

Montag, 03.10.2022: Sarria – Portomarín

Gut haben wir geschlafen, der Wecker ging um 6:45 Uhr. Das Bett war sehr bequem, die Geräuschkulisse trotz Hauptstraße vor der Haustür nachts ruhig, kein Lärm. Wir machten uns fertig und gingen dann runter zum Essen. Es gab Buffet mit wirklich großer Auswahl. Qualitativ nicht unbedingt immer das Allerbeste, z.B beim Kaffee aus dem Automaten, aber durchaus üppig und abwechslungsreich. Noch mal ging’s zurück aufs Zimmer, wo Thomas seinen Koffer packte, um ihn anschließend zum Abholen bereitzustellen, denn der Gepäcktransport war in dem ab jetzt gebuchten Gesamtpaket des Reiseveranstalters enthalten. Ich wanderte weiter mit meinem vollen Gepäck, nutzte den Transportservice nicht, obwohl ich das natürlich gekonnt hatte, aber nach über 80% der Strecke wollte ich den Camino auch so zu Ende bringen, wie ich ihn begonnen hatte, mit meinem Gepäck auf dem Rücken. Um kurz vor 8:00 Uhr ging es los. Der Weg führt uns zunächst noch einmal durch die Altstadt, und wie schon gestern Abend vermutet, kristallisierte sich bald heraus, dass es ab jetzt deutlich voller werden würde. Phasen, wo 100 m vor uns und hinter uns kein Wanderer mehr zu sehen war, gab es ab heute so gut wie nicht mehr. Manchmal war es nervig, vor allem wenn größere Gruppen ständig quatschten, manchmal zwischenzeitlich aber auch ganz okay. Trotzdem war es nochmal ein ziemlich großer Unterschied zu dem auch schon recht vollen Jakobsweg auf den letzten Etappen vor Sarria. Landschaftlich war es wieder wunderschön, so wie die letzten Kilometer ab Samos am Vortag, durch hügelige, vor allem landwirtschaftlich genutzte Regionen, grüne Felder, weite Blicke, Kühe, Esskastanien und jetzt auch die ersten Gestelle zum Trocknen von Mais, sog. „Horreos“. Eingestellt auf den Pilgerstrom gab es auch jede Menge Einkehrmöglichkeiten unterwegs, die Versorgung war ab hier problemlos sichergestellt. Wir kehrten zweimal ein, beim ersten Mal hatte ich ein Stück Kuchen, da ich noch nicht so hungrig war, beim zweiten Mal dann einen Burger mit Pommes. War auch wirklich lecker. Gegen 15:00 Uhr kam dann unter uns Portomarín in Sicht. Es ging aber erst noch einen steilen, in den Fels gehauenen Pfad hinab zur Brücke über den Stausee, in dem der alte Ort versunken war, und dann auf der anderen Seite wieder hoch in den neuen Ort. Im Stausee war kaum Wasser, daher konnte man tatsächlich die Fundamente der Steinhäuser des alten Ortes erkennen, die da trockenlagen, ebenso wie eine zweite, ältere Brücke unterhalb der ersten. Unser Hotel „Portomiño“ war ziemlich schick, schicker als das letzte. Wir duschten erstmal und erholten uns einige Zeit auf unseren Betten. Danach erkundeten wir die Innenstadt von Portomarín, die recht übersichtlich war. Die festungsartige Hauptkirche St. Juan war jetzt geöffnet, allerdings mussten wir noch etwas warten, bis wir eintreten konnten, da anfangs noch so eine Art Gottesdienst mit Schulkindern stattfand. Innen drin wirkte die Kirche genauso riesig und karg wie von außen, hatte aber einige schöne Kapitelle und auch schöne Glasfenster. Außerdem war das Portal mit den 24 Gelehrten der Apokalypse recht sehenswert. Zum Abendessen suchten wir uns ein Lokal unter den Arkaden aus mit Namen “Abe und Pau”, wo wir ein leckeres Touristenmenü bekamen. Für mich gab es eine Ensalada russa als Vorspeise und ein Stew aus Oktopus mit Gemüse zum Hauptgang, als Nachtisch dann ein Eishörnchen von Nestlé. Gesättigt und auch nicht mehr ganz nüchtern nach zwei Glas Wein ging es zurück ins Hotel, wo wir nach Schreiben des Tagebuchs langsam zur Ruhe kamen.

🥾: 24,4 km